Ich saß einige Minuten leicht benommen in meinem Sessel. Hatte den Gedanken, zum Smartphone zu greifen, und über twitter unserem Gegner, dem FC Bayern München zu gratulieren. Doch irgendwie fehlte mir dazu die Kraft, ich war gelähmt. Und entgegen meiner Ankündigung in der BVB-Bloggerschau zum Champions League Finale, um 22.30 Uhr deutscher Zeit als erstes ein weiteres Bier zu öffnen, dauerte es mehr als eine halbe Stunde nach Abpfiff bis ich mich mit einer weiteren Flasche Beck’s auf den Balkon setzte und leicht betrübt aufs Wasser schaute.
Dabei hatte mal wieder alles mit Streß begonnen. Kennt ihr eine Fußball-Kneipe, die das Champions League finale nicht zeigt? Nein? Also wer im Netz nach „soccer bars“ in North Carolina sucht, findet das Dubliner in Wilmington, ein Irish Pub. Mein Dad rief dort in der vergangenen Woche und fragte, ob sie das große finale zwischen Borussia Dortmund und Bayern München zeigen würden, man antwortete voller Inbrunst: „It will definitely be on.“ Ich den ganzen Morgen schon nervlich zu Fuß, erledigten wir also Samstagmittag ein paar Einkäufe in Wilmington und kamen in dem Irish Pub dort kurz vor 14 Uhr, also etwa 50 Minuten vor Anpfiff an. Ich hatte mich darauf eingestellt, dass hier einige Fußball-Fans schon zusammengekommen seien. Immerhin kannte ich doch einige Fans des FC Liverpool noch aus Raleigh, die in ihrer Stammkneipe stets Premiere und Europa League verfolgten. In einem Irish Pub kämen sicher haufenweise ähnlicher Gestalten zusammen. Weit gefehlt: Im „Dubliner“ sah ich einige Männer und Frauen 70+, die ihre Gitarre mitgebracht hatten und offenkundig vor hatten, den Nachmittag über zu musizieren. Auf der Toilette funktionierte das Wasser nicht. Und auf dem nicht besonders großen Bildschirm lief Rugby. Was denn mit dem Spiel sei, fragten wir die Barkeeperin. „You’re asking me question about soccer?“ fragte die sie etwas ahnungslos. Ja, heute Nachmittag würde die Band spielen. Der Inhaber zeichne solche Spiele normalerweise auf und zeige sie dann, wenn es im Pub ruhig sei. Aha. Vom Bier ein Viertel getrunken, ergriffen wir die Flucht und jagten die 31 Meilen nachhause zurück. Mein Dad brach sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen und auf die Minute schafften wir es zum heimischen Fernseher.
Und so bekam die Frau meines Vaters auf ihre alten Tage ihr erstes Fußballspiel in voller Länge zu sehen. Dante identifizierte sie als „dirty player“, Großkreutz als „very handsome“ und über Marco Reus meinte sie: „If I were a teenager, I’d have a big poster of him on my wall.“ Erstaunlicherweise erkannte sie aus welchen Gründen auch immer, daß der BVB wohl einen überragenden Trainer haben müsse, wenngleich der mal rasieren solle. „Why aren’t you screaming“ kläffte sie mich an, als Weidenfeller wiederholt stark parierte.
Mein Vater genoss das Spiel in vollen Zügen und erzählte mir den Rest des Tages immer wieder, dass mein Team einen exzellenten Auftritt gehabt habe.
Ein Resümee haben mittlerweile andere Fans mit starken Worten geliefert. Ich kann kann mich nur nochmal bei der Mannschaft für diese tolle Saison bedanken – und dafür kann ich mich gar nicht genug bedanken. Mein Dank auch nochmal an Tom, aufgrund dessen Initiative ich beim Gruppenspiel in Madrid gewesen bin. Und natürlich an Paul und Bernd, mit denen ich immer wieder im Westfalenstadion war, zum Beispiel auch beim legendären Rückspiel gegen Malaga. Eine Saison, von der ich immer erzählen werde.