Biden heißt Krieg

28 Feb

Ruhe ist wieder eingekehrt in der internationalen Politik. Das Brexit-Drama ist vorerst beendet und ins Weißen Haus kehrte vor sechs Wochen ein „starker Partner für Frieden und Sicherheit“ (Medien) zurück.

Und der tut, war immer tut. Er sendet eine „klare Botschaft„, das heißt: er schickt Bomben. Im konkreten Fall Luftangriffe auf Einrichtungen in Syrien, die von Milizin genutz werden, die vom Iran unterstützt werden. Es war eine Antwort auf Angriffe auf US-Soldaten und deren Partner im Irak, sagt das Pentagon.

Eine klare Botschaft? Überflüssig zu erwähnen, dass Luftangriffe zur Übersendung von Botschaften einen Verstoß gegen internationales Recht darstellen. Ist viel absurder: dies war ein nicht-autorisierter Angriff auf Ziele in Syrien, um Truppen, die sich ohne Autorisierung im Irak aufhalten, zu beschützen. Und der Schutz soll durch die klare Botschaft erfolgen.

Klare Botschaft an Teheran. Wovon soll der Iran überzeugt werden? Dass die USA willens sind, militärische Optionen zu nutzen? Das wusste das Regime nicht auch schon vorher?

Wäre dieser Luftschlag oder der vorherigen Regierung erfolgt, würden uns die Medien jetzt erklären, dass der Präsident damit vom innenpolitischen Versagen ablenke. Das hätte den Vorteil, dass solche Angriffe wenigstens thematisiert würden. Aber das Deprimierende ist, dass um diese uninspirierte Außenpolitik der neuen US-Regierung nicht viel Aufhebens gemacht wird. Diese Angriffe waren eine Nebenmeldung. Und diese Politik des starken Partners für Frieden und Sicherheit setzt fort, womit wir seit Jahrzehnten scheitern. Sie ist Bestandteil eines ewigen Krieges. Nichts ändert sich an unserer Politik in der Region und kaum jemanden interessiert es – das ist das Deprimierende.

Wo ist Dein Podcast?

25 Jun

„Wer hört denn schon wirklich Podcasts?“ Das fragte mich ein Kollege ernsthaft noch im November 2018. Dabei erinnere ich mich, dass in jenem Jahr der bekannte Coach Tobias Beck seinem Publikum klarmachte, dass die Zeit allmählich ausgehe. „Jetzt gerade wird der Markt verteilt“, rief er. also: „Wo ist Dein Podcast?“

Inzwischen muss die Frage lauten: „Ist es eigentlich noch möglich, ein gespräch zu führen, ohne dass daraus ein Podcast wird?“ Jeder, der 2008 bloggte oder 2014 auf Youtube seine „Fitness Transformation“ zur Schau stellte, sendet Audio-Kram, interviewt coole Leute, stellt Podcast-Folge 214 online. Wie will man all das hören, was man gerne hören möchte? Meine derzeitigen Favoriten sind

Laufen Liebe Erdnussbutter (bester Lauf-Podcast)

Conversations with Tyler (die Gespräche meines Lieblingsökonomen)

James Altucher Podcast (habe ich 2014 schon gehört, als Podcasts noch was Besonderes waren)

Auffe Ohren (Borussia Dortmund/Schwatzgeb.de)

Kathi lernt (Podcast meiner Kollegin Kathi)

Natürlich komme ich schon nicht dazu, alleine davon jede Folge zu hören, geschweige enn die unzähligen interessanten Wissenschaftsblogs, Christian Drosten (issja Pflicht seit Ende Februar), weitere Laufblogs wie bevegt oder Fatboysrun, Rasenfunk und diverse weitere Fußball-Podcasts regelmäßig anzuhören.

Irre, wie das aus dem Boden geschossen ist. Also die Frage nochmal an Dich: Wo ist Dein Podcast?

Unter Druck – Halbmarathon Heidelberg 2016

25 Apr

„Läufsch heut lang oder kurz?“ fragte der ein oder andere seinen Laufkumpanen. Kalt war es gworden an diesem letzten Sonntag im April. An diesem Tag, wenn der Frühling übers Land zieht und einen die Lust ergreift, dem Roß die Sporen zu geben, um ins Neckartal zu reiten, tapsen in kurzen Schritten ein paar tausend Läufer alljährlich hoch zum Philosophenweg. So lässt sich früh in die Saison starten.

Früh? Dass ich nicht lache. Ende April hatte ich schon mal einen ganzen Marathon hinter mir. Aber 2014 und 2015 hatte ich die erste Jahreshälfte jeweils verschlafen. Was vielleicht auch einen Teil meines Dilemmas erklärt. Dazu später mehr. Dieses Jahr jedenfalls wollte ich mir möglichst früh ein erstes Etappenziel setzen, um schon vor Zeitumstellung und Frühlingsluft meine Kilometer zu laufen und eine Grundlage für den weiteren Jahresverlauf zu setzen. Anfang März gelang es mir bei einem Geburtstagsumtrunk meinen Arbeitskollegen und Freund Fabian zu einer Teilnahme bei SAS Halbmarathon in Heidelberg zu bewegen. Fabian kommt vom Radrennsport her und hat wenig Lauferfahrung, dafür der anaeroben Kapazitäten reichlich. Mit so jemandem auf Augenhöhe eine anspruchsvolle Strecke zu bewältigen, sollte Motivation genug sein.

Gut sieben Wochen später war nun jener kühle Sonntagmorgen da. Nach Teilnahmen in den Jahren 2004, 2005 und 2007 der vierte Start. Nach langer Abstinenz – zu meiner Zeit gab es noch keine Chip-Zeitmessung in Heidelberg – dafür lief Patrick Klein (TV Rheinau) die Strecke gleich schnell Auch am Streckenverlauf hat sich rein gar nichts verändert.

Wir starteten mit gelben Startnummern zu Beginn des zweiten Blocks. Und dementsprechend mit ordentlich Schwung. 4:10 min auf den ersten Kilometer, das ist auf Halbmarathon mal ne Ansage. Ich versuchte das Tempo leicht zu reduzieren, blieb is es bei Kilometer 7 zum Philophenweg raufging aber deutlich unterm Fünferschnitt. Aber nach dem Anstieg merkte ich, wie der Magen rumorte. Im Wald fiel mir auf, dass ich nun wirklich nicht mehr „schnell“ war und traute mich kaum, auf die Uhr zu schauen. Und ich bekam einen leichten Drang zu spüren. In die Büsche springen? Aber dann wäre die Zeit dahin.

Das war sie bald ohnehin, denn ich kam aus der Konzentration raus. Nach dem fiesen Anstieg nach Ziegelhausen, der mich anno 2004 aus der Spurgehauen hatte, dann richtige Magenkrämpfe. Es hörte nicht wirklich auf. Hinter Kilometer 15 auf der anderen Neckarseite bekam ich richtig Panik. Hier könnte ich nicht so einfach irgendwo reinspringen. Den Schloss-Wolfsbrunnenweg hinauf hatte ich wieder und wieder das Gefühl, jeden Moment in die Hose zu machen. Deshalb konnte ich auch den Schwung aus der Abwärtsbewegung hinter Kilometer 19 nicht richtig mitnehmen. Einfach nur noch „sauber“ ins Ziel kommen. Ein Blick auf die Uhr wagte ich wieder: unter zwei Stunden wäre immerhin sicher.

Mit 01:57:03 h hatte ich das Rennen absolviert. Der Magen hatte sich gerade mal wieder beruhigt, wenn ich allerdings doch sehr bald die Toilette aufsuchte. Fabian dehnte sich vor der Neuen Universität mit stolzen 01:41 h auf dem Tacho. Das hätte ich ihm zwar jederzeit zugetraut, aber dennoch so bemerkenswert, dass ich es nicht oft genug hervorheben kann.

Immerhin konnte ich mich dank ihm motivieren, im März und April zusammen über 300 km zu laufen. Vor einem Jahr hatte ich noch so gut wie nichts. Aber damit ist das Positive auch schon gesagt. Wir alle kennen das Gefühl, wenn ein Wettkampf absolut nicht so lief, wie geplant. Aber dieses Rennen wirkt wie ein richtiger Schlag ins Gesicht. „Auf Augenhöhe“ bin ich mit Fabian derzeit in etwa so wie die Blauen mit Schwatzgelb. Das ist aber weniger mein Problem. Was mich vor allem ratlos macht, ist die Tatsache, dass mir nach meiner Verletzungspause (Mai 2011 bis Mai 2013) nichts mehr so recht gelungen ist. Die letzte Zeit, mit der ich zufrieden war, bin ich am 12. September 2010 (Halbmarathon in 01:37 h im Golfpark St. Leon-Rot). Spätestens heute hat sich bei mir eine Leere breitgemacht, dieses hartnäckige Ich-bin-einfach-ne-Null-Gefühl. Die Antwort kann nur sein, den Kopf freizulaufen und weiter zu trainieren. In diesem Jahr wartet noch so einiges. Und die Ausgangslage sieht um einiges besser aus als 2014 oder 2015.

Ich bin übrigens „kurz“ gelaufen.

 

Musk World – Rezension von Ashlee Vance, Elon Musk: Tesla, SpaceX and the Quest for a Fantastic Future

6 Sept

Wer heute über Innovationen redet und sich dabei ein Gesicht vorstellt, denkt nicht mehr unbedingt an Steve Jobs. Dessen Verdienste bleiben unbestritten. Aber zwischen dem Silicon Valley und Los Angeles pendelt ein Mann, der daran arbeitet uns zum Mars zu bringen, uns den Weg von L.A. nach San Franciso oder D.C. nach New York in 20 bis 30 Minuten zu ermöglichen und in feschen E-Luxusautos durch die Gegend schickt. Die Rede ist von Elon Musk.

Ich frage mich sowieso, wie man CEO von zwei Unternehmen gleichzeitig sein kann, aber Musk ist nicht nur CEO von Tesla und SpaceX, er ist auch Chairman von SolarCity. Im Mai dieses Jahres erschien mit Elon Musk: Tesla, SpaceX and the Quest for a Fantastic Future ein Buch, das erstmals die prickelnde Lebensgeschichte von Musk und die spannende Historie seiner Unternehmen erzählt.

Einem größeren Publikum dürfte Musk Ende der 90er als CEO von PayPal bekannt geworden sein. Musk wucvhs in Südafrika auf, mit 12 Jahren sein erstes Computerspiel programmierte und verkaufte. Musk kam aus einer Unternehmerfamilie, die ihre Ursprünge in Kanada hatte. So machte Musk sich mit 17 nach Kanada auf. As Student der Physik kam er schließlich in die USA. Mitte der 90er gründete er zusammen mit seinem Bruder das Unternehmen Zip2, die in der Anfangszeit des Internet Unternehmen davon überzeugen wollte, dass sie einen Online-Eintrag benötigen. Die beiden Musks mieteten ein primitives Büro, wo sie auch schließen und sieben Tage die Woche in so gut wie jeder wachen Stunde arbeiteten – geduscht wurde in der YMCA. Sie wurden erfolgreich. Es folgte das Unternehmen X.com, das später mit Peter Thiels Confinity zu PayPal fusionierte. Nach dem Verkauf von PayPal an Ebay für 1,5 Mrd Dollar wurde die Gründungsriege dieses Unternehmens als die „PayPal Mafia“ bekannt. Dazu gehörten neben Thiel (später erster Investor in Facebook) und Musk Figuren wie Reid Hofmann (heute CEO von LinkedIn), Max Levchin oder auch die Youtube-Gründer Steven Chen und Chad Hurley.

Doch statt die nächste Online-Firma zu gründen überlegte Musk sich, in Raumfahrt zu machen, und flog nach Russland, um Raketen zu kaufen (er entschied sich dann, die Raketen lieber selbst zu fertigen). SpaceX hat die USA nach Jahren des Stillstands in der Raumfahrt wettbewerbsfähig gemacht. Das Ziel ist, den Mars bewohnbar zu machen und zu kolonisieren. Drunter geht’s nicht. Zeitgleich ist Musk CEO von Tesla. Das Unternehmen dürfte heute das einzig wirklich innovative Unternehmen der Automobilindustrie sein – in den letzten zehn Jahren hat das Unternehmen Dinge möglich gemacht, von denen anfangs jeder felsenfest behauptet hätte, dass sie unmöglich sind.

Musk wollte ursprünglich nicht mit Ashlee Vance für das Buch kooperieren, war aber von der Hartnäckigkeit des Wirtschaftsjournalisten schließlich doch überzeugt. Das Buch basiert auf unzähligen Interviews mit Musks Vertrauten, aktuellen und ehemaligen Mitarbeitern seiner Unternehmen sowie Msuk selbst. Der Leser merkt, wie fasziniert Vance selbst von dem überwältigenden Eifer des Mannes ist. Es ist das beste Buch, das ich dieses Jahr bisher gelesen habe – es gibt einem dem Glauben daran zurück, dass der technische Fortschritt doch noch nicht ganz tot ist und eine bessere Zukunft möglich.

Die Fitness-Blödriane

5 Sept

Markus Rühl verstand auf der Fibo 2015 die Welt nicht mehr. Rühl, das „Biest“, ein deutsches Urgestein des Bodybuilding, das ca. 2012 nach rund 20 Jahren Training und rund 70 Wettkämpfen seine Sportlerkarriere beendet hatte, musste auf der großen Kraftsportmesse staunen: „Wenn du hier zwei zusammen siehst, die für ein Foto posieren, fragste dich doch, wer der Fan und wer der Star ist.“ Die junge Generation interessiere sich nur noch für „Stars“, die statt für Mr. Olympia zu trainieren, Videos hochladen. Das reicht heute, um die Massen anzulocken.

Die Fitness-Youtuber. Die wahrscheinlich tatsächlich in den letzten Jahren dafür gesorgt haben, dass die aus der Altersklasse 15 bis 25 rund 20 bis 30 Prozent mehr Jungs ins Fitness-Studio („Gym“ in der Youtuber-Sprache) rennen als früher. Mit dem Ziel, nach wenigen Wochen auszusehen, wie Jeff Seid. Bekanntester unter ihnen ist wohl Karl Ess, der seinen Zuschauern im Schnitt fünfmal die Woche erzählt, dass er einen Ferrari fährt – das zieht ein immer größeres Publikum an.

Was das mit Fitness zu tun hat? Es geht um den „Lifestyle“. Ess ist Mitte Zwanzig, eigenen Angaben zufolge Deutsch-Amerikaner, studierte auf Wirtschaftsingenieur und war irgendwann pleite. 2012 fing er an Videos zu machen, in denen er – wohl nach dem Vorbild von Elliott Hulse – den Leuten Tipps geben will, wie man – er spricht wohl wirklich in erster Linie Jungs an – erfolgreich werden kann, und zwar „im Bereich Fitness, im Bereich Business, im Bereich Frauen“. Und das geht am besten mit veganer Ernährung und dem richtigen Training.

Ess hatte dafür zu nächst einen damals 18jähriges Model parat – sozusagen die deutsche Version von Jeff Seid: Der Stuttgarter Tim Gabel, ein gut aussehender Schüler, der für sein Alter schon ganz schön was an Muckis zu bieten hat. Trotz der eigenen mäßig vorhandenen Muskelmasse ist Ess selbst einfach zu häßlich, um die Jugendlichen anzulocken. Dazu kam noch ein weiterer „Youtube-Star“, Nico Lazarides, der sich für einen „Comedian“ hält und sich „Inscope21“ nennt, früher Videos in Sachen „Gaming“ machte und nun auch ein bißchen Fitness probieren wollte.

Inzwischen haben sich Gabel und Inscope von Ess getrennt: wegen dubioser Geschäftsmethoden von Ess. Der hat sich inzwischen eine große Fitness-Welt aufgebaut und macht 800.000 Euro Umsatz im Monat. Dafür hält er auch gerne mal zu Beginn seiner Videos seine Autoschlüssel in die Kamera, um den Zuschauern dann gleich eine Lektion in Sachen Sozialneid zu erteilen: „Klar kaufe ich mir ne Rolex. Und soll ich euch sagen warum? Soll ichs euch wirklich sagen?? Weil sie sich ein anderer nicht kaufen kann.“ Er betreibt „Network Marketing“ mit Vemma, verkloppt seine aus dem Netz zusammengestellten Trainings- und Ernährungspläne als „360-Grad-Paket“ für 150 Euro und ist Teilhaber an der Stuttgarter Klamottenmarke GA-Gym Aesthetics. „Jeder weiß, wie ich mein Geld verdiene. Ich bin der Ehrlichste.“ Seine Videos laufen alle nach dem selben Schema ab: Er schreit ein paar mal „Iööööhhhh“ in die Kamera, sagt ein paar mal was über seinen Ferrari verabschiedet sich mit „haltet euch fit“. Obwohl er noch nie auf der Bühne stand und auch nie stehen wird, weil er sportlich rein gar nichts reißt, hat er unzählige Nachahmer gefunden.

Mittlerweile wimmelt es nur so von „Fitness-Youtubern“, die sich den Leuten ihre tägliche Soap bieten: sich in die Küche stellen dort ihren Reis kochen, über ihr Ernährungstagebuch sprechen, ein „Scoop“ Whey Protein in die Milch mixen und über ihre Fortschritte beim Negativ-Bankdrücken plaudern. Und sich immer wieder gerne nackig vor die Kamera stellen, denn „Posing-Updates gehören einfach zum Sport“.

Der Rentner Rühl ist inzwischen selbst unter die Youtuber gegangen, wobei er sich nicht nur in seiner Ausdrucksweise angenehm von Ess und Konsorten unterscheidet. Der Mann weiß schlicht, wovon er spricht.

Angst ist der falsche Ratgeber – Rezension von „Endlich mal was Positives“ (Band 1 und 2)

16 Aug

Plötzlich ändert sich alles. Einen Abend ahnungslos ausgegangen, stürmisch und leidenschaftlich rangegangen, einen kleinen Moment unachtsam gewesen – und schon kam das böse Erwachen. Was habe ich getan? Weil Sex gerade durch Hingabe und Lust geprägt ist, schalten wir in solchen Momenten gerne den Verstand aus. Und durchstehen dann wochenlang Ängste, machen uns Vorwürfe und fühlen uns von jetzt auf gleich vom ganzen Leben abgeschnitten.

So geht es immer wieder vielen. Zwischen einem möglichen Risikokontakt und dem Ergebnis eines HIV-Tests liegt eine emotionale Achterbahnfahrt.

Unzählige „Gib AIDS keine Chance“-Spots und-Plakate haben uns Respekt vor HIV eingejagt. Das ist einerseits gut. Weil wir wissen, dass wir uns schützen müssen. Andererseits wurden so über die Jahre Vorurteile noch verstärkt: Obwohl HIV heute medizinisch mit Diabetes und Hypertonie vergleichbar ist, assoziieren wir HIV mit AIDS und AIDS mit dem Tod. Umso erfrischender, wenn ein Betroffener mit dem Thema „offensiv & optimistisch“ mit dem Thema umgeht und aufklärt – so wie Matthias Gerschwitz mit dem Buch Endlich mal was Positives, von dem in diesem Jahr der zweite Band erschien.

Matthias Gerschwitz erhielt Anfang 1994 seine Diagnose als HIV-positiv. Zu einer Zeit also, als das tatsächlich noch ein Todesurteil bedeutete. Mit finsterer Miene teilte ihm sein Arzt den Befund mit und riet ihm, die Zeit zu genießen, die ihm noch bleibe. Gerschwitz mußte den Arzt trösten. Er blieb lebensfroh und zuversichtlich. Zwei Jahre später gelang in der in der HIV-Therapie der Durchbruch mit Einführung der antiretroviralen Kombinationstherapie, die seitdem beständig optimiert wurde. HIV-positive Menschen haben heute fast die gleiche Lebenserwartung wie HIV-negative mit annäherungsweise dergleichen Lebensqualität.

Doch eins ist sicher: Wer sich mit dem Virus nicht ansteckt, ist weiterhin klar im Vorteil. Wenn Gerschwitz im ersten Band seine eigene Geschichte erzählt, wendet er sich dabei gleichzeitig an jene, die meinen, vor HIV sicher zu sein. Der Virus unterscheidet nicht zwischen Mann und Frau, hetero-, homo- oder bisexuell. Es kann jeden treffen. Mit viel Humor und in lockerem Ton berichtet er von der Therapie, den Reaktionen aus seinem Umfeld und seiner ungebrochenen Lebenslust.

Wer sich vor allem über den aktuellen medizinischen Forschungsstand und der gesellschaftlichen Debatte informieren möchte, dem bietet der deutlich dicker geratene zweite Band eine Menge: In zwanzig Kapiteln fasst Gerschwitz die abenteuerlichsten Geschichten zusammen, von den Verschwörungstheoretikern und „AIDS-Leugnern“ über die schräge Behandlung des Themas in diversen Fernsehkrimis hin zur Debatte um Nadja Benaissa. Immer wieder lässt er einen den Kopf schütteln, wenn er Ausflüge in die diverse HIV-Foren im Netz unternimmt und die Fragen einiger User zu den Übertragungswegen widergibt. Es sind keineswegs nur vermeintliche Dummheit und weit verbreitetes Unwissen, die einen den Kopf schütteln lassen. Die „HIV-Phobie“ ist nicht notwendig Folge von Panik und Nichtwissen, sondern drückt oftmals ein schlechtes Gewissen aus – und ist daher auch gar nicht so selten.

Mit beiden Büchern (das zweite ist ein wenig schlampig lektoriert“) hat Gerschwitz einen fulminanten Beitrag für ein größtmögliches Zielpublikum geleistet, um Vorurteile gegen Menschen mit HIV abzubauen, die Angst davor zu reduzieren ohne den Respekt zu verlieren und den eigenen Umgang damit zu überprüfen.

Hulk läuft keinen Marathon

29 Jun

Ich habe mich entschieden. Trotzdem fange ich jetzt erst richtig an zu tüfteln.

ende letzten Jahres hatte sich mein Laufkumpane zum Köln-Marathon angemeldet. Vor Silvester war das noch deutlich günstiger, alle paar Monate macht die Anmeldegebühr einen Sprung. Ich habe bis jetzt, genauer gesagt bis vorgestern, mit der Entscheidung gehadert. Dafür gab es zum einen die typischen Gründe: So einen Trainingsplan durchzuhalten, geht schließlich an die Substanz, den ganzen Sommer lebt man nur für das bestimmte Ziel, man kann nicht einfach irgendwelche Urlaube dazwischenbuchen und so weiter. Aber der Hauptgrund war: obwohl ich seit vielen Jahren dem Laufen verfallen bin, habe ich es in den letzten elf Monaten stark vernachlässigt. Ich lief zwar immer wieder, hatte aber den Fokus woanders: auf Krafttraining. Dreimal in der Woche bin ich in die Mucki-Bude gedackelt und habe nach dem WKM-Plan trainiert, also versucht, Muskeln aufzubauen. Das gelang nicht bisher nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte, aber dennoch konnte ich vor allem bei den Kniebeugen und dem Kreuzheben die Kraftwerte beachtlich steigern und auch mein Körpergewicht habe ich von gut 72 auf zeitweise 80 kg gesteigert (aktuell sind es 77).

Nun habe ich mich für Köln angemeldet. D.h. bis zum 4. Oktober 2015 heißt es Kilometer machen. Wie kann ich das nun mit dem Krafttraining kombinieren? Zunächst: Weitermachen wie bisher kann ich in den nächsten drei Monaten nicht. Letzte Woche machte ich bereits den ersten Fehler. Dienstag schwere Kniebeugen, danach noch auf die Beinpresse. Am Mittwoch habe ich einen kurzen Lauf über 7,6 km absolviert. Taten die Beine schon während des Laufens weh, kam ich anschließend nicht mehr aus der Dusche und am nächsten Tag nicht mehr die Treppe rauf und runter. Ein Muskelkater, als wäre ich drei Marathon in einer Woche gelaufen. Ungelogen.

Aber mal abgesehen davon. Dass ich Abstriche machen muss, sollte klar sein. Wenn du Erfolg haben willst, musst du dich auf eine Sache konzentrieren. Markus Rühl trainiert keinen Triathlon, Haile Gebrselassie stand nie auf der Bühne. Und ein Marathon-Training zehrt derart an den Kräften, dass der Körper kaum noch Muskeln aufbauen kann. Fünf- bis sechsmal die Woche laufen lässt kaum Zeit für den Studiobesuch. Dennoch: ganz auf das Krafttraining verzichten möchte ich nicht. Im Schnitt sollte eine Einheit pro Woche weiterhin drin sein. Was funktioniert und was nicht, werde ich ausprobieren. Wer mir dazu Tipps geben möchte, möge dies tun, ich bin für jeden Hinweis dankbar. Über alles Weitere werde ich hier weiter schreiben.

Der Junge aus Körne

14 Feb

Samstag, 31. Januar 2015, Auftakt zur Rückrunde. Borussia Dortmund kämpft um den Klassenerhalt und es geht gleich gegen Bayer Leverkusen. Ich sitze im Irish Pub, um das Spiel zu schauen. Im Lauf der ersten Halbzeit setzt sich ein junger Mann zu mir an den Tisch. Er hat offenbar schon ein wenig getankt. Offenbar drückt er meinem Verein die Daumen, denn bei jedem groben Kontakt der Leverkusener fängt er an laut zu fluchen. Irgendwann in der zweiten Halbzieht zielt Marco Reus knapp daneben. Der Mann am Tisch kläfft die Leinwand an: „Den macht jeder Bayern-Stürmer rein, aber du nicht. Hoffentlich bist du bald weg“. Und als Reus kurz drauf zum Eckball schreitet nochmal: „Tschüß!“

Genau zehn Tage später verlängert Reus seinen Vertrag bis 2019. Die meisten sind überrascht – und das positiv: Ein starker Impuls im Abstiegskampf. „Maximale Identifikation mit dem Verein“, erkennt der Sportdirektor. Doch anders als Kevin Großkreutz konnte der „Dortmunder Jung“ Marco Reus noch nie die Fans wirklich von genau dieser „maximalen Identifikation“ überzeugen. So viele Reus-Trikots gleich nach seinem Wechsel 2012 auch auf einmal im Stadion zu sehen waren; so besonders beliebt ist der enge Freund des schwer in Verruf geratenen und nach München gewechselten Mario Götze eben doch nicht. Er galt zumindest bisher doch eben eher als „Söldner“ – Geburtsort Dortmund hin oder her. „Echte Liebe“ (was hasse ich den von unzähligen Fans unkritisch übernommenen Marketing-Slogan) nahm ihm niemand so recht ab.

Seine Führerschein-Story wurde weitestgehend so gedeutet: Fußballer im Allgemeinen ticken ebenso. Die sind abgehoben. Acht Wochen später ist da in Bezug auf Reus noch erstaunlich wenig zu hören.

So reaktionär das auch ist: ich muß gestehen, dass auch ich mich immer besonders freue, wenn ein Dortmunder für den Verein Tore schießt. Der ist deshalb kein besserer Borusse, ganz und gar nicht. Wie ja auch bei den Fans alle „Dortmunder Jungs“ sind, die dem Verein verbunden sind, ganz egal wo sie herkommen. Und so albern der ganze Identifikationskram auch ist, bleibt es doch schön, wenn ich einem Spieler anmerke, dass der Verein und die Fans dem Spieler wirklich was bedeuten. Wie sich das bei Marco Reus genau verhält, kann ich schwer beurteilen. Aber er dürfte mit seiner Vertragsverlängerung doch einigen gezeigt haben, dass man gar nicht immer so furchtbar „emotional“ nach außen hin sein muss, dass man durchaus auf seine Karriere bedacht sein kann – und trotzdem unendlich wertvoll für den Verein und umgekehrt der Verein für einen selbst von riesiger Bedeutung ist.

Was die sportliche Seite anbelangt, erübrigt sich ohnehin jedes Wort. Er ist für die Dortmunder Offensive unfassbar wichtig. Und beim gestrigen Spiel gegen Mainz jubelte vermutlich auch der junge Mann von neulich Reus zu.

Ja, wir können die Klasse halten

8 Feb

„Was macht ihr nur?“ fragen mich die Leute nach jedem Spieltag. Ich zucke dann immer mit den Schultern und schaue betreten weg. Wenn man mir dann aber zum xy-mal erklärt, dass wir auf keinen Fall absteigen, sage ich dann doch ein paar Takte zum Thema. Ja, wir können absteigen. Können nicht nur, sondern werden es auch. Wer die Saison über mehr oder weniger jedes Spiel verliert, steigt ab. „Die Qualiät bricht am Ende durch“, sagen die Leute dann. Das anzunehmen, war noch im November realistisch. Heute nicht mehr. Nicht nach der Hinrunde.

Nach dem 20. Spieltag, über den Klaus Bittermann die Wahrheit sagt, ist erstmal wieder der Glaube zurück: Ja, wir halten die Klasse. Sicher: das sieht nach dem kommenden Spiel gegen Mainz möglicherwiese schon wieder ganz anders aus. Vielleicht ist dann wieder finstere Miene angesagt. Vielleicht fragen wir uns dann wieder alle, ob die Wende mit Klopp noch gelingt. Aber so grauenvoll die Freiburger gestern auch waren, anders als die Siege gegen Gladbach und Hoffenheim, hat das Spiel gestern doch gezeigt, dass es auch anders geht. Dass die Mannschaft Fußball spielen kann und ihr Fußballspielen Freude macht. Weidenfeller ließ sich nach dem desolaten Auftritt gegen Augsburg zu der absurden Äußerung herab, der letzte Tabellenplatz sei eine „Momentaufnahme“ Mit der gleichen Berechtigung könnten wir den Auswärtssieg im „Scheißgau“ als Ausrutscher betrachten. Nach den Spielen gegen Herta, Werder und Augsburg war ich dabei jede Hoffnung zu verlieren. Die Spiele gegen Wolfsburg und Leverkusen ließen mich zwar nicht fassungslos zurück, aber genauso wenig an die Mannschaft glauben. Der Glaube ist jetzt wieder zurück. Der Glaube des Sektenmitglieds Mark Paul Haverkamp an die Mannschaft, an Klopp, an den Klassenerhalt.

2014

31 Dez

Fußballerisch begann das Jahr im Westfalenstadion an meinem Geburtstag mit einem 2:2 gegen Augsburg. Kuba nach ein paar Minuten verletzt. Dann erkältet beim Pokalspiel gegen Eintracht Frankfurt. Anderthalb Wochen später darf ich unsere Borussia in Hamburg bei einer 0:3-Niederlage gegen den damals sicheren Absteiger HSV zuschauen. Im März wieder gegen Gladbach im Westfalenstadion. Diesmal 1:2 verloren. Zwei Monate erst ein holpriger Sommerkick gegen die TSG Hoffenheim im Stadion und zwei Wochen drauf dann in einer Mannheimer Spelunke das DFB-Pokalfinale verfolgt. Irgendwann im Morgengrauen gebrochen nach Hause gelaufen. Im August in Stuttgart gegen die Kickers. Viel zu hoch gewonnen. Dann wieder Westfalenstadion: Saisonstart gegen Leverkusen. Das Tor sieht irgendwie schutzlos aus. Der Ball rollt hinein. Wieviele Sekunden waren es? Neun. Ich komme aus dem Lachen nicht raus. Aber wir trösten uns. 0:2-Heimniederlage gegen Bayer 04 zu Saisonbeginn. Das letzte mal sind wir Meister geworden. Drei Tage später Freundschaftsspiel gegen den SV Waldhof Mannheim. Trauer um Walter Pradt. Die Waldhof-Buben hätten verdient in Führung gehen können. Am Ende setzt sich die Qualität durch. Der 4:0 gegen den Viertligisten ist trotzdem zu hoch. Nach Mainz hatte ich fahren wollen, aber ich fahre nicht. Dort beginnt eine Serie von Niederlagen. Ich schaffe es bis zur Winterpause nicht mehr ins Stadion. Alles wird gut.

2014

– bin ich keinen Marathon gelaufen
– war ich nicht wirklich im Urlaub
– habe ich keine 20 Blogtexte geschrieben
– bin ich Single geblieben
…..

Alles wird gut.